Vor fast drei Jahren stand ich vor einer Entscheidung, die unser gesamtes Unternehmen prägen sollte. Wir hätten den einfachen Weg gehen können – etablierte Industrieunternehmen als Kunden gewinnen, die nach bewährten Lösungen suchten. Stattdessen entschieden wir uns für das Gegenteil: Agenturen als Zielgruppe.
Warum? Weil diese unter extremem Marktdruck standen. KI veränderte ihre Branche so radikal, dass sie keine andere Wahl hatten, als sich neu zu erfinden – oder unterzugehen.
Was ich damals noch nicht ahnte: Diese Entscheidung würde mir die wichtigste strategische Erkenntnis meines Unternehmerdaseins bescheren. Das "Reality Gap" – die entscheidende Lücke zwischen Gewinnern und Verlierern in unserer Zeit.
In den ersten Monaten unserer Zusammenarbeit mit Agenturen fiel mir etwas auf, das mich zunächst verwirrte: Während traditionelle Unternehmen in Meetings saßen und über "Herausforderungen" und "schwierige Marktbedingungen" sprachen, redeten unsere Agentur-Kunden über völlig andere Dinge.
Die "blaue Linie" der etablierten Unternehmen:Â "Wir haben Krise und noch eine Krise... erwarte von uns bitte kein Wachstum."
Die "rote Linie" unserer Agentur-Partner: "KI wird in den nächsten zwei Jahren 80% unserer Arbeitsprozesse revolutionieren. Wie nutzen wir das für exponentielles Wachstum?"
Ich erkannte: Hier prallten zwei fundamental unterschiedliche Denkweisen aufeinander. Die einen analysierten die Gegenwart und planten in kleinen, vorsichtigen Schritten. Die anderen blickten in die Zukunft und dachten in exponentiellen Möglichkeiten.
Diese Erkenntnis kam mit einem hohen Preis. Als Dienstleister für Early Adopter waren wir gezwungen, immer "cutting edge" zu bleiben. Unser Service-Portfolio verändert sich bis heute alle drei bis sechs Monate signifikant. Nicht, weil wir unorganisiert sind, sondern weil sich die Zukunft so schnell entwickelt.
Während andere Beratungen ihre bewährten Methoden verfeinerten, mussten wir ständig neue entwickeln. Während andere auf Erfahrung aus der Vergangenheit setzten, mussten wir Erfahrungen für die Zukunft sammeln.
Das war anstrengend. Aber es war auch unser größter Vorteil.
Heute verstehe ich: Was wir erlebt haben, ist das "Reality Gap" in Reinform. Diese tiefe Kluft zwischen zwei fundamental unterschiedlichen Weltanschauungen:
Die blaue Linie (lineare Denkweise):
Die rote Linie (exponentielles Mindset):
Hier ist meine persönliche Erkenntnis nach fast drei Jahren auf der "roten Linie": Das Reality Gap ist keine Theorie – es ist die präsente Realität jedes Unternehmens.
Jeden Tag entscheidest du dich bewusst oder unbewusst für eine der beiden Linien. Jeden Tag fragst du dich entweder: "Wie optimieren wir das, was wir haben?" oder "Wie nutzen wir das, was möglich wird?"
Die Agenturen, mit denen wir arbeiten, haben mir gezeigt: Wer die zweite Frage stellt, gewinnt. Nicht immer sofort. Aber langfristig immer.
Ich möchte ehrlich sein: Der Sprung auf die "rote Linie" ist nicht bequem. Es bedeutet, ständig zu lernen, ständig zu hinterfragen, ständig neu zu denken. Es bedeutet auch, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen.
Aber hier ist die Wahrheit, die mir die letzten drei Jahre gelehrt haben:Â Sobald die "rote Linie" der exponentiellen Konkurrenz in deinem Markt auftaucht, gibt es auf der blauen Linie kein Wachstum mehr.
Die entscheidende Frage ist nicht, ob diese exponentiellen Veränderungen kommen werden. Sie sind bereits da. Die Frage ist: Auf welcher Linie willst du dich befinden, wenn sie deinen Markt erreichen?
Wenn du nur eine Sache aus diesem Artikel mitnimmst, dann diese: Das Reality Gap existiert in deinem Unternehmen bereits heute. Es ist die Lücke zwischen dem, was du basierend auf deiner Vergangenheit für möglich hältst, und dem, was technologisch tatsächlich möglich wird.
Die Frage ist nicht, wie du diese LĂĽcke schlieĂźt. Die Frage ist: Wie bringst du dein Unternehmen, dein Team und deine Denkweise auf die richtige Seite dieser LĂĽcke?
Ich habe diese Entscheidung vor drei Jahren getroffen – aus der Not heraus, unseren Agentur-Kunden gerecht zu werden. Heute weiß ich: Es war die wichtigste strategische Entscheidung unseres Unternehmens.
Welche Entscheidung triffst du heute?
0 Comments
Login or Register to Join the Conversation
Create an AccountLog in